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Abendstimmung im Weinviertel

Vom inneren Schweinehund

Grafische Darstellung eines Inneren Schweinhund, (co) DALLE

Der innere Schweinehund meint eine Instanz in uns, die einfach nicht wollen kann oder können will. Sie widersetzt sich, sie trutzt und bleibt sitzen, wenn sie eigentlich weitergehen sollte. Die Pflicht verweigernd, vertröstet sie andere, rechtfertigt sich und ist um kreative Ausreden nie verlegen. Ein innerer Verweigerer. Eine innere Schweinekatze, Katzenschwein,... Schweinekäfer, Hundsesel oder so. Alle diese seltsamen Tierkreuzungen haben gemeinsam, dass sie gerne liegen bleiben. Verweigerung hat quasi viele Gesichter und kann durchaus grazil und gepflegt auf der Couch liegen bleiben. Und sie kann uns damit zum Scheitern bringen. Daher diese wichtige Kolumne.

Wir begegnen ihm oder ihr vorzugsweise, wenn wir die häusliche Hängematte verlassen sollten um etwas Neues zu beginnen. Gerade wenn Anstrengung vonnöten wäre. Zum Jahreswechsel wird ja sehr oft davon gesprochen oder auch bei Beginn von unlustigen Entsagungen wie: Diäten, Alkoholverzicht oder Rauchenaufhören. Ganz besonders auch, wenn z.B. mehr Körperaktivitäten angesagt sind. Vor dem Start zum Laufen oder Walken. Bei der bevorstehenden Einschreibung in einen GymKurs oder wenn die nächste Fitnessclubstunde ansteht.

Obwohl das ein humorvoller Blogbeitrag wird fange ich mit einer Definition an. Quelle dazu ist unsere allseitsgenutzte Wikipedia, die da Folgendes meint:

Die Bezeichnung innerer Schweinehund umschreibt – oft als Vorwurf – die Allegorie der Willensschwäche, die eine Person daran hindert, unangenehme Tätigkeiten auszuführen, obwohl sie entweder als ethisch geboten gesehen werden (z. B. Probleme anzugehen, sich einer Gefahr auszusetzen etc.) oder für die jeweilige Person sinnvoll erscheinen (z. B. eine Diät einzuhalten).

Leider wurde der Begriff vor und während der Nazizeit vom totalitären Staat völlig vereinnahmt. Wie wir alles wissen, war damals Härte, Zähigkeit und "Weitermachen um jeden Preis" ein wichtiges feature. Überwindung zu vielem Unmöglichen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Wenn wir uns heute über den inneren Schweinhund unterhalten meine ich damit den inneren Widerstand. Die PsychoanalytikerInnen unter Ihnen werden sich ob der unpräzisen Definition nun ein mildes Lächeln nicht verkneifen können, aber macht nix. Im Folgenden möchte ich Ihnen ein paar Thesen zur Ahnenlinie des inneren Schweinhundes anbieten. Die schweinehündischen Großeltern quasi. Alles ohne Gewähr. 

Interessanterweise ist der ISH (innere Schweinehund) kleiner, wenn wir etwas in Gruppen erleben. Zum Beispiel beim gemeinsamen Wandern. Dann kann er bis zur Größe eines Chiwawa oder Rehpinschers schrumpfen, der zwar noch wichtig bellt und sich heldenhaft widersetzt, aber eigentlich keine Chance auf Durchsetzung hat. Umgekehrt, Sie ahnen es, alleine zu sein mit dem ISH wird er zur Riesendogge, die überwältigende Zugkraft aufbringen kann. Sie haben somit die Wahl selbst, wie und wann der ISH größer bzw. kleiner für Sie werden soll. 

These 1

Bei der Selbstbeforschung bin ich auf einige rätselhafte Aspekte dieses inneren Anteils (ich lasse nun die tierischen Allegorien weg) gestoßen. Es hat etwas, eh klar, mit der Kindheit zu tun. Wie sollte ein Psychotherapeut sonst darüber denken können.

Erinnern Sie sich an die eigene frühe Kindheit oder an die Ihrer Kinder? Sicher.

Das hilflose Baby, es liegt da. Es bräuchte etwas und die Umwelt erkennt das nicht. Zum Beispiel verspürt es Langeweile. Durch immer lauter werdendes Rufen und Abmühen versucht es sich vom Bauch auf den Rücken zu drehen. Wochen später und mühevoll aber hartnäckig weitergewachsen fällt ihm wieder etwas Neues ein. Diesmal plagt es sich, sich an einem Sessel hochzuziehen oder mit flinken kleinen Fingern doch etwas aus der Küchenlade zu fischen. Es ringt und bezwingt den inneren Schweinehund, falls der auch mit auf die Welt gekommen ist. Monate später kämpft es im Supermarkt in Kassennähe um eine Nascherei - reckt sich und macht sich, weil noch sprachlos, umso heftiger bemerkbar, dass es etwas WILL. 

Unser Wollen scheint von klein auf mit Anstrengung verknüpft zu sein. (Von einer noch unentdeckten Macht vermutlich.) Und das merkt sich das Kind, bis es so erwachsen ist wie Sie und ich. Daher können wir nicht immer so gut WOLLEN wie wir gerne wollen würden. Weils anstrengend ist und weil einfach niemand unser Begehren erkannt hat. Die anderen, unsere lieben Mitmenschen sind eigentlich schuld daran.

Psychologisch betrachtet könnten wir daraus schließen: Im Moment des WOLLENS kommt die ganze erlittene Mühe aus der Vergangenheit flugs aus dem Unterbewußtsein hoch und legt sich quer. Dabei flüstert sie uns dann ins Ohr: 

Oida, bleib doch liegen, geh nicht raus, fang bloss nix an, lass die Welt so wie sie ist - das hat doch alles noch Zeit - gönn' dir die Ruhe - sei nicht so streng wie deine LehrerInnen früher oder dein Chef heute - das muss doch nicht gleich sein - denk mal lieber nach, bevor du dich in etwas reinstürzt. Und vielleicht macht es doch jemand für dich(?) wenn du geduldig bleibst. 

These 2

Eine andere Sichtweise lautet: Der innere Schweinhund ist in Wirklichkeit ein lieber Beschützer, der uns vor Anstrengungen und vor Frustrationen bewahren will. Man nennt ihn dann nicht Widerstand sondern Beistand. Die Gelenke werden geschont, wir kommen nicht außer Atem, wir verbrauchen keine unnützen Kalorien, wir verweigern uns dem sinnlosen Leistungsprinzip, wir machen unser Gewand nicht unnötig schmutzig, schwitzen weniger - denn wir bleiben einfach auf der Couch sitzen. Es fällt uns nichts runter und wir können nichts kaputt machen. Dieser These folgend könnten Sie also schon ein bisschen dankbar für die Aktivitäten des inneren Schweinhundes sein. Er meints eigentlich gut und will nur spielen.

These 3

Grundsätzlich können Sie gar nichts dafür dass Sie nicht wollen können. Und nicht können wollen. Alles ist nur deshalb gekommen, weil's für Sie in der Kindheit so mühsam war und Ihre Eltern Ihnen das alles nicht erspart haben. Sie waren einfach zu wenig unterstützt und dieser Mangel hängt Ihnen noch nach. Je länger Sie nur darüber nachdenken, desto länger hängt er. Oder besser gesagt, Sie hängen an ihm.

Die genannten Erkenntnisse sind mir beim ungefähr 6. Mal Laufengehen nach einer sehr langen (Faul-)Pause als neue Erklärungen für dieses altbekannte Syndrom (ISH)  in den Sinn gekommen. Und es wurde für mich körperlich deutlich spürbar, wie der ganze Leib von seinem inneren Widerstand zeitweise beherrscht werden kann. Jetzt weiß ich aber: nicht beherrscht sondern beschützt

Bei mir war's dann so, dass letztlich der ISH aufgeben mußte. Weil ich nach dem 2. Kilometer nicht mehr WOLLEN WOLLTE sondern mich zu FREUEN begann, dass ich meine Lebendigkeit wieder spüren konnte.

Jetzt wissen Sie's auch.

Gute Erfahrungen mit Ihrem ISH wünscht,

Martin Geiger

PS: Und bitte die Ausführungen nicht ganz ernst nehmen, ich wollte während des Laufens nur mit Ideen spielen und meinen ISH ein wenig ablenken.

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