Das erste Mal Sex
-Die Sommerpause inspiriert zu einem Thema, das auch in der Sexualtherapie oft vorkommt. Das erste Mal Sex. Wie war es, wie wirkt(e) es sich auf weitere sexuelle Erfahrungen aus? War es wie erträumt oder wie ein Albtraum? Was ist mit dem ersten Mal gemeint, was "gilt"? War es geplant oder völlig überraschend, nüchtern oder berauscht - oder berauschend?
Blitzlichter aus eigener Erinnerung
Grundsätzlich war das erste Mal Sex in meiner peergroup als Jugendlicher zumeist ein sehr oft nur angedeutetes Thema. Es war allgegenwärtig und blieb doch im Nebel. Z.b. das Hantieren mit Condomen (alleine schon die Beschaffung), ohne Benutzung. Wer hat "es" schon getan, wer "spart" es sich noch auf. Wann kommt der/die "Richtige" dazu? Sexuelle Begegnung zwischen theoretischen Ideen (welche Stellung ist optimal) und Befürchtungen (Schwangerschaft), Geheimnis (nur dem best friend erzählen), Hingabe (wie wenn es etwas zu verschenken/verlieren gäbe) , ja vielleicht sogar Versündigung (Jesus sieht alles) und jedenfalls ganz viel Scham. Wie löst ein "richtiger" junger Mann diese Fragen, was ist mannhaft - selbe Frage gilt für Frauen|Mädchen auch? Vorbilder sind wenige vorhanden, die sind meist selbst sprachlos.
Was wäre die Alternative gewesen?
Eine "gute" Aufklärung, die ohne aufdringlich oder gar moralisierend zu wirken über das Biologische hinaussieht und in aller Achtsamkeit auch über Emotion spricht. Eine unbefangene Atmosphäre des Ausprobieren Dürfens, vielleicht sogar die Ermunterung dazu (trau dich, es erwartet dich etwas Schönes). Einen geschützten Platz dazu, Ungestörtheit. Überhaupt mehr Offenheit, um Fragen mit Vertrauenspersonen zu klären. Zum Beispiel wenn es nicht gleich so klappt wie phantasiert, sondern schmerzt, anstrengt, zu schnell geht, die Lust unterbrochen wird, ... die Verhütung Probleme macht. Das erste Mal Sex kann eine "schöne Murxerei" sein. Zwei junge Menschen, die ihren Körper noch nicht so gut kennen und bisher nur alleine "geübt" haben. Und so mancher hat noch nicht geübt, wie mir in der Sexualtherapie oft erzählt wird. Reden, viel mehr Reden, sich über Befürchtungen und Wünsche unzensiert unterhalten können. Austausch mit Gleichgesinnten und auch Erfahrenen, nicht alleine mit Büchern/Internet.
Kein Wunder - das erste Mal Sex geschieht ohne Training
Waren Sie schon einmal in einer Kletterhalle? Wer hat das Klettern gleich beim ersten Mal ohne begleitendes Training geschafft. Wer beherrscht Knoten, Gurte und Sicherheitsvorrichtungen intuitiv und souverän? Ganz zu schweigen vom effizienten Krafteinsatz?
Unser Körper weiß an sich von alleine wie Sex geht. Nur der Kopf und so manche erzieherisch/biografisch ungünstige Erfahrung hat uns Blockaden eingebaut. Leistungsdruck ist eine davon, weiters auch die Scham sich lustvoll zu zeigen. Lieber ein tiefes und entspannendes Atmen (statt Stöhnen durch hysterisches Hecheln vorzutäuschen), sich Zeit zu lassen, sich den eigenen Gefühlen zuzuwenden und dabei auf die Partnerin nicht zu vergessen, auch genießen, auskosten und nachklingen lassen. Das kommt dann mit der weiteren Erfahrung.
Was bedeutet "es"?
Sich erstmals einem/einer Gegenüber mit der eigenen Lust | Begehren | Bedürfnisse zu zeigen und in einen Austausch darüber zu kommen. Erste wackelige, weil ungewohnte Schritte zu wagen. Ein Stück Kindheit hinter sich zu lassen, denn die sexuelle Begegung mit PartnerIn gehört wohl in die Erwachsenenwelt. Auch die Ablösung von den Eltern spielt mit, da diese ganz andere Formen der Zärtlichkeit und Sexualität gezeigt oder eben zumeist heimlich gelebt haben. Ich konnte mir jedenfalls nicht vorstellen, dass meine Mama mit meinem Papa ... *Dings* gehabt haben könnten. Unmöglich. Und doch, der lebend Beweis bin ich ja selbst. Es muß auch bei den Altvorderen lustvolle Zeiten gegeben haben.
Ab wann gilt es als "das erste Mal"?
Dass "richtiger Sex" immer mit einer Penetration als vollzogen gilt kommt zwar oft vor, läßt sich jedoch diskutieren. Ist das Eindringen die zentrale Erfahrung? Penetration ist für gilt für manche Menschen so nicht und macht zudem viele Probleme. Aber es ist in den Köpfen drin. Was ist mit den Menschen, die aus verschiedensten Gründen nicht in einander eindringen können/wollen? Die haben schließlich auch (ein Recht auf) Sex. Was ist denn nun richtiger Sex? Lustvolles petting und erregende Berührungen mit der gesamten Körperoberfläche, sich steigernd bis zum ... Höhepunkt(en)? Höchstmögliche Nähe zwischen LiebespartnerInnen? Optimierter Spannungsauf/abbau? Versuchen Sie es für sich einmal neu zu denken und zu definieren.
Wie ist es wohl heutzutage?
Vermutlich haben Jugendliche heutzutage ähnliche Befürchtungen wie vor 30 Jahren. Mit einem wichtigen Unterschied, sie haben NOCH mehr Informationen. Was sicher mehr Möglichkeite mit sich bringt, jedoch auch mehr NOTwendigkeiten, sich zu entscheiden.
Grundfrage: Mach ich es richtig, stelle ich den/die PartnerIn zufrieden, passiert hoffentlich nichts,... bin ich danach auch noch geliebt.
Wissen über technisch-sexuelle Funktionen und medizinische Fragen holen sich wohl die meisten aus dem Internet. Jugendlich heute haben andere Herausforderungen. Stimmt das was ich gegoogelt habe? Kann ich Grenzen setzen, schaffe ich die "Leistung", bin ich kreativ genug, mutig oder auch vorsichtig, entspreche ich den Vorgaben von Videos?
Wer nach "das erste Mal Sex" im Internet sucht, findet ca. 29 Millionen Links, die zwar großteils zu Pornoseiten hinführen - dazwischen finden sich auch halbwegs authentisch klingende Erfahrungsberichte/Infos - siehe untenstehende Links. Letztlich lautet die wichtigste Frage: Kann ich bei all der Informationsflut meinem eigenen Gefühl trauen? Stimmt meine eigene Wahrnehmung?
Die Folgen
Wie mit allem im Leben braucht auch der erste Sex Geduld, besonders, falls es das erste Mal nicht erwartungsgemäß gelingt. (Was zumeist so ist!) Nun braucht der junge Mensch die Gewissheit (Vertrauen), dass es durch Wiederholung immer besser werden kann. Die Sicherheit in der Situation, das handling von Verhütung, die unterschiedlichen Bedürfnislagen, körperliche Befindlichkeit und hormonelle Situation und ganz besonders die Stimmung und Sicherheit innerhalb der Beziehung ... Es sind viele Variablen, die gelingenden Sex beeinflußen.
Beim ersten Mal Sex auch "Beziehung zu haben" ist jedenfalls von Vorteil. Wie können sonst Wünsche geäußert oder Grenzen gesetzt werden, wenn zwei nicht in gutem Bezug zu einander stehen.
Wenn die ersten Erfahrungen in der Sexualität sehr verletzend oder frustrierend waren, wird es Auswirkungen auf das weitere Sexualleben haben. Die Lust kann in Folge ausbleiben, der Körper macht nicht mit, Sex wird nicht mehr als lebbare Möglichkeit gesehen sondern ausgeschlossen. Rückzug von der sexuellen Begegnung ist ein wichtiger Schutz vor weiterer Verletzung. Jedoch muss es nicht so bleiben. Es gibt Möglichkeiten, hinter diese Schutzmauer zu blicken und neue Zugänge zu finden. In diesem Sinn möchte ich Ihnen Mut dazu machen, falls Sie mein Beitrag angesprochen hat.
Hat mein Artikel Sie nur zum Schmunzeln gebracht hat, weil Sie sich vielleicht an frühere (überwundene) Erfahrungen erinnert haben - dann gratuliere!
Sex wird mit dem Alter immer schöner, wenn die PartnerInnen achtsam bleiben. Präsent, langsamer werdend und natürlich liebevoll. Sexuelles Lernen & Reiferwerden hört nie auf.
Gutes Gelingen wünscht dazu,
Martin Geiger, Paar- und Sexualtherapeut
https://www.lilli.ch/geschlechtsverkehr_tipps_erstes_mal
https://www.liebesleben.de/ueber-liebesleben/
https://www.gesundheit.gv.at/leben/kids-teens/liebe-sex/erstes-mal.html
https://www.wikihow.com/Prepare-for-Your-First-Time-for-Guys