2 Mär 2016

Psychotherapie kostet

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Psychotherapie wird leistbar(?)

Die Zahlen in dieser Auflistung haben sich zwischenzeitlich verändert - Aktualisierung folgt. Kurz gesagt: die ÖGK refundiert nun 28.- und die BVAEB 40.-.

Wie steht es um Leistbarkeit und Wertigkeit von Psychotherapie? Dazu gibt es Neuigkeiten. Die WHO spricht von 1 Euro in Psychotherapie investiert, der sich mit 4 Euro rentiert. (siehe Standard Artikel vom 13. April 2016 bezogen auf Depression und Angsterkrankung) Psychotherapie wird in Österreich noch unzureichend von den Krankenkassen unterstützt. Derzeit gibt es in allen Bundesländern individuelle Lösungen. Bild: Antragsformular für Psychotherapiezuschuss

Zusammenlegung der Krankenkassen als Beschleuniger?

Seit der Zusammenlegung  der Krankenkassen bewegen sich die Tarife wieder. Die BVAEB leistet 40.- und die ÖGK 28.- €/ pro Therapiestunde.  Interessanterweise gibt es Unterschiede in den Bundesländern, Richtung Westen wird die Versorgung besser, sprich die Tarife höher.

Wer auf die Effizienz von Psychotherapie blickt und die Kosten für Psychopharmaka berücksichtig, kann eigentlich nur zu der Einsicht gelangen, dass sich Psychotherapie lohnt. Viele Störungen könnten durch Therapie aufgefangen und damit einer Chronifizierung von Leiden vorgebeugt werden. Abgesehen von der menschlichen Dimension wird es bei Nichtbehandlung für alle teurer. Firmen verlieren erfahrene MitarbeiterInnen, Versicherungen werden belastet, ÄrztInnen belagert, ein Verdienstausfall durch Langzeitkrankenstand bedeutet immer auch Steuerverluste für den Staat und Verluste für die Wirtschaft.

Psychotherapie kann nicht alles heilen und hat ihre Grenzen wie andere Behandlungsformen auch. Sie kann verbessern, Lebensqualität erhöhen helfen - wie es im nebenstehenden Kostenantrag gelb hervorgehoben steht. Auch Medizin kann nicht alles, wird aber angewendet UND großteils ohne Diskussion kassenfinanziert.

Psychotherapie ist (noch) nicht für jeden leistbar. Personen mit geringem Einkommen, ohne regelmäßige Arbeit, nach längerer psychiatrischer/ oder körperlicher Erkrankung oder mit Belastungen durch Karenz, Kinder, Angehörigenpflege tun sich schwer. Dringend sollte deshalb die Anzahl der Einzeltherapieplätze erhöht werden und der damit verbunden Kassentarif, den die TherapeutInnen erhalten. Denn rein über Kassenplätze zum derzeitigen Tarif (57,70) kann keine Praxis wirtschaftlich geführt werden.

 

Was kostet Therapie tatsächlich?

Einzeltherapie

Einzelpsychotherapie kostet im ländlichen Bereich etwa 80.- bis 100.- Euro. Davon den Rückerstattungsbetrag abgezogen ergibt sich ca. 50.- bis 70.-/ Stunde Eigenleistung. Bei einer Frequenz von 1x wöchentlich rechnet man aufs Jahr mit ca. 40 Stunden, ergibt rund 3x im Monat, weil Fehlstunden (Urlaube, Feiertage) zu berücksichtigen sind. Eigenleistung monatlich ca. 180.- 250.- Euro für 3 Therapiestunden/Monat.

Gruppentherapie

Für Gruppenpsychotherapie, die meist 14 tägig 2-3 Therapiestunden umfasst sieht es kostengünstiger aus. Im Schnitt sind es z.B. bei einem dreistündigen Abend 50-60.-/Abend, mal 2 - ergibt im Monat 120-150.- Euro, davon ist noch der Rückerstattungsbetrag für Gruppensitzungen abzuziehen.  Manche Krankenversicherungen übenehmen die Kosten für Gruppentherapie zur Gänze. Dies macht z.B. die NÖGKK und einzelfallweise auch die BVA sowie WGKK. Eigenleistung: 100.- bis 120.- Euro für 6 Therapiestunden/Monat.

Paartherapie

Paartherapie und Paarberatung sind von einer Kassenverrechnung ausgeschlossen. Wie andere Beratungsformen (Coaching, Supervision) sind sie privat zu bezahlen. Aktuell können Sie für 90 Min. Paartherapie zwischen 150.- und 200.- Euro an Eigenleistung kalkulieren. Im Unterschied zur Einzelpsychotherapie sind dabei längere Abstände zwischen den Stunden  möglich - ca. 3-4 wöchig.

Anmerkungen

Bei allen Therapievarianten sind die Preise frei vereinbar, dh. es gibt keine Richtlinien. Manche KollegInnen bieten jedoch Sozialtarife an. KollegInnen kurz vor Abschluss ihrer psychotherap. Ausbildung haben meist günstigere Tarife, im Mittel 50.-/Stunde - allerdings ohne Möglichkeit der Kassenverrechnung.

Manche private Gesundheitsversicherungen (freiwillige Höherversicherung) bezahlen einen jährlichen Zuschuß an Heilmittelkosten, somit können auch Psychotherapierechnungen eingereicht werden.

 

Wertigkeit der psychotherapeutischen Tätigkeit

PsychotherapeutInnen sind zumeist selbständig erwerbstätig, was bedeutet, dass von dem Honorar rund 50% für Steuer/Sozialversicherung/Aufwendungen für den Betrieb abzuziehen sind. Krankenstand, Urlaub und Feiertage bedeuten immer, in diesen Zeiten kein Einkommen bei trotzdem anfallenden Betriebskosten zu haben.

UND: diese Arbeit erfordert Kraft und Erholungszeiten. Seriöse TherapeutInnen werden nicht mehr als 15 bis maximal 20 Therapiestunden/Woche geben können. Hinzu kommen Bürotätigkeit, Werbung, Vernetzung, verpflichtende Fortbildungszeiten, die mit einzukalkulieren sind. Zudem haben alle eine aufwändige und privat zu bezahlende Ausbildung hinter sich.

Über Geld und Preise zu reden ist nicht gerade chic, aber notwendig. Wir leben in einer Zeit der Einsparungen. Bei wem gespart wird und wem dies zu Gute kommt liegt im Auge des Betrachters. Offensichtlich haben bei seelischen Problemen derzeit Psychopharmaka als Behandlungsform den Vorrang. Eine Studie der Donau Uni Krems spricht von jährlich 188 Mio € Kosten für Psychopharmaka im Jahr 2013 in Österreich.

Hier soll nicht das Eine gegen das Andere aufgewogen werden, denn eigentlich ergibt die Kombination Medikation + Psychotherapie eine gute Wirkung. Beispiel: Die Verschreibung eines angstlösenden Medikamentes beruhigt die Lage und ermöglicht Stabilisierung (Schlaf) - die Psychotherapie führt weiter in eine Aufarbeitung von belastenden Erlebnissen.

Bleibt es jahrelang nur bei der Medikation, kann sich nichts verändern und das Medikament wird Teil eines leidensstabilisierenden Systemes.

Veränderung ist die Stärke und das Grundprinzip einer Psychotherapie.

Momentan können aufgeschlossene praktische Ärzte nur eine Empfehlung zum Besuch einer Psychotherapie abgeben, Hausarzt/ärztin sagte dann: "... es wäre gut für Sie". Aus Mangel an Kassenplätzen können Sie nicht einfach jemanden überweisen, wie sie es z.B. mit einer erforderlichen fachärztlichen Behandlung machen. Bei der Verschreibung von Medikamenten gibt es jedoch praktisch keine Einschränkungen.

Oft wird von einer Zweiklassenmedizin gesprochen. Bei der psychotherapeutischen Versorgung der Bevölkerung gibt es diese schon längst. In Niederösterreich bewegt sich etwas, in dem Gruppentherapieplätze bereits jetzt schon in unbegrenzter Anzahl zu Verfügung gestellt werden. Das ist ein guter Ansatz, wobei nicht alle psychotherapeutische Vefahren auch das Format Gruppe entwickelt haben.

Auf weitere positive Veränderung warten wir gespannt, denn alle hätten etwas davon.

Martin Geiger

 

 

PS: Einzelkassenplätze können Sie über die NÖ Clearingstelle abfragen. Dort werden Ihnen dann KollegInnen genannt, die grundsätzlich Einzelplätze anbieten. Ob diese frei sind, erfragen Sie dann bei den PsychotherapeutInnen selbst.

 


Weiterführende Information

https://medonline.at/2015/kostenlose-psychotherapie/

http://www.zeit.de/2008/43/PS-Psychotherapie

https://katalog.ub.uni-leipzig.de/Search/Results?lookfor=Psychotherapie%...

https://herminemandl.wordpress.com/2008/01/22/wirkprinzipien-der-psychot...

http://derstandard.at/1326503261335/Psychische-Erkrankungen-Versorgung-m...

http://www.hauptverband.at/portal27/portal/hvbportal/content/contentWind...

http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/PSYCHOTHERAPIE/